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05.06.2014

Wie ich lernte nasse Füsse zu lieben 1 - 460 Kilometer durch die schottischen Highlands

Wo kann man im Frühjahr in Europa eine (fast) menschenleere, einsame Wildnis durchstreifen? Skandinavien ist noch zu verschneit, aber es gibt eine Region für die April/ Mai geradezu die beste Jahreszeit darstellt: Schottland!
Ich kannte die Highlands bereits von drei vorhergegangenen Besuchen, zweien im Sommer und einem im Winter. Nun, im Sommer regnet es oft ziemlich viel, und kleine Stechfliegen, die Midges, können eine wahre Plage sein. Ich habe den schottischen Winter mit beachtlichen Minustemperaturen und tief verschneiten Landschaften erlebt, schön, aber sicher nicht die beste Zeit zum Wandern.
Im Frühjahr dagegen, kann es durchaus mal eine stabile Schönwetterperionde geben, die Midges sind noch nicht aktiv, und die Zeit zu der das Leben in der Natur wieder so richtig in Gang kommt, ist natürlich sowieso schön.
Ich habe drei Wochen Zeit und überlege wie ich diese am Besten füllen kann. Mir schwebt eine lange Wanderung vor, weitgehend weglos und auf einer mit Google Earth geplanten Route. Bei der Internetrecherche zum Thema stoße ich auf den Cape Wrath Trail. Dieser ist kein markierter Wanderweg, sondern eine Route zu der es auch einige Alternativen gibt. Immerhin kann man ein Guidebook zu dem Weg kaufen, der die ganzen nordwestlichen Highlands durchquert.
Zwar ist mir schnell klar, dass ich nicht komplett dieser Route folgen werde, dennoch halte auch ich Cape Wrath, die Nordostspitze Schottlands, für ein interessantes Ziel. Allerdings nehme ich an, dass ich es nicht erreichen werde, da meine Variante deutlich länger ist, und man auch weglos nicht so schnell vorankommt.
Neben dem Reiz, die Highlands ungehindert zu durchstreifen, möchte ich die Tour nutzen, um etliche Dinge für eine längere Tour im Herbst zu testen, egal ob Ausrüstungsstücke wie neuen Rucksack und Zelt, oder Verpflegungsvarianten.
Am 24. April 2014 fliege ich mit einer bekannten Billigflugairline nach Edinburgh, wo ich spät abends eintreffe. Um in die westlichen Highlands zu gelangen, muss ich am nächsten Morgen den Bus in Glasgow wechseln. Die Umgebung des Loch Lomond gibt mir schon bald einen kleinen Vorgeschmack auf das Hochland, die Birken und Eichen die an geschützten Stellen wachsen, haben gerade erst ihr Blätterkleid angelegt.
Als ich die hohen, schroffen Berge sehe, die das Glen Coe einfassen, wird mir klar, wieviel Schnee hier noch liegt. Werde ich meine Route gehen können, die ich streckenweise auf den Graten der Bergkämme geplant habe?
Gegen Mittag erreichen wir Fort William, einen touristisch geprägten Hauptort der Highlands am Fuß des Ben Nevis, dem mit 1343 Metern höchstem Berg Schottlands und auch Großbritanniens.

                                           Fort William, ein wichtiges Zentrum der Highlands



Da ich bereits die gesamte Verpflegung für 20 Tage Wanderung in meinem Rucksack habe, muss ich hier lediglich noch die Gaskartuschen für meinen Kocher kaufen, die ich nicht im Flugzeug mitnehmen durfte. An Outdoorläden gibt es in Fort William keinen Mangel, daher habe ich die Kartuschen schnell besorgt. Der Verkäufer erzählt mir, dass sie hier den härtesten Winter seit 25 Jahren hatten, und die Skisaison am Ben Nevis würde erst jetzt beendet werden…
Um zum Startpunkt meiner Wanderung zu gelangen, muss ich den Meeresarm Loch Linnhe mit einer kleinen Personenfähre überqueren, die erst in zwei Stunden fährt. Ich nutze die Zeit um mir einen Cheeseburger mit Pommes und Salat in einem Pub zu gönnen, wahrscheinlich die letzte Mahlzeit in einem Restaurant für längere Zeit…
Außer mir sind nur noch zwei andere Passagiere an Bord. Das Loch Linnhe tatsächlich ein Meeresarm und nicht etwa ein See ist, wird mir klar, als wir einmal einen auftauchenden Seehund beobachten…

                                         Die Wanderung beginnt mit einer Fährfahrt

Während der Cape Wrath Trail der Uferstraße folgt, beginne ich gleich nach der Überfahrt den weglosen Aufstieg zu dem Hügelkamm. Mein neuer 90 Liter Rucksack Macpac Cascade ist mit ca. 28 Kilo beladen. Ich bin schon gespannt, wie er sich trägt, zwar wiegt er auch knapp über 3 kg, ist damit aber noch ca. 30 % leichter, als mein bisheriger Schwerlastenrucksack von Bergans.
In einer Schlucht, in dessen lichten Eichen- und Buchenwald die Schlüsselblumen blühen, steige ich steil aufwärts zum Bergkamm. Von oben öffnen sich schöne Ausblicke über Loch Linnhe und Ft. William zum Ben Nevis, dessen Gipfel die Wolken aber nicht ganz frei geben.

                                           Der Gipfel des Ben Nevis ist in Wolken gehüllt

Auf den breiten Rücken streife ich weglos durch die weite Moor- und Berglandschaft. Da es nach Regen aussieht und ich es am ersten Tag langsam angehen lassen möchte, schlage ich bereits recht früh mein Lager auf. Natürlich bin ich gespannt auf die Performance meines neuen Zeltes von Big Agnes, Flycreek UL 1. Mit 936 g ist es ein wahres Leichtgewicht, obwohl es sogar frei stehend ist. Allerdings weiß ich natürlich noch nicht, ob es auch den rauhen, schottischen Wetterbedingungen trotzen kann…

                                                  Der erste Test für mein neues Zelt

Als es bald zu regnen beginnt, weiß ich, dass ich mein Lager keineswegs zu früh aufgeschlagen habe, da der Regen, begleitet von heftigem Wind die ganze Nacht anhält. Obwohl die Apsis des Flycreek ziemlich winzig ist, gelingt es mir meinen schweren Rucksack in ihr zu verstauen.
Nun, das Zelt übersteht den ersten Test mit Bravour, weder Wind noch Regen können ihm etwas anhaben.
Da es am Morgen immer noch regnet, starte ich erst gegen 8.30. Die Temperatur beträgt lediglich 5 Grad, es ist feucht und düster. Innerhalb kürzester Zeit sind meine Socken in den Trailrunningschuhen von Inov-8, Roclite 315 durchnässt. Das macht mir allerdings nichts aus, so lange ich in Bewegung bleibe. Auch das Tragen der Laufschuhe ist etwas Neues für mich, da ich bisher all meine längeren Wanderungen in konventionellen Wanderstiefeln absolviert habe. Nun, Schottland ist bestimmt ein hartes Testgelände für das Laufen in Trailrunningschuhen, wenn es hier funktioniert, wäre das schon bemerkenswert…Ebenso gilt bisher die Lehre, dass schwere Rucksäcke und leichte Laufschuhe nicht zusammen passen, wir werden sehen….
Zunächst mal freue ich mich darüber, dass meine Schuhe mit nur 630 g, gerade mal ein Drittel von Wanderstiefeln wiegen, was sich bei jedem Schritt positiv bemerkbar macht.
Ich habe den in Google Earth erstellten Track auf mein GPS übertragen und auch Papierausdrucke meiner Route dabei. Zusätzlich führe ich aber auch für die gesamte Strecke neun topographische Karten im Maßstab 1.50.000 mit. Das hört sich zwar nach Navigationsoverkill an, aber ich liebe die Möglichkeit der Flexibilität in meiner Routengestaltung, die mir die detailreichen, topographischen Karten bieten.
Gegen Mittag, als ich den Gipfel von Stob Coire a Chearcail erreiche, bin ich am mit 770 Metern höchstem Punkt des heutigen Tages angelangt. So langsam scheint sich auch schöneres Wetter durchzusetzen.



                                            Schöneres Wetter beginnt sich durchzusetzen

Manchmal sehe ich etwas Rotwild, oder einige Schneehühner fliegen vor mir auf, ansonsten wirkt die Landschaft relativ leblos. Nur langsam verliere ich an Höhe, bis unter mir das Tal Cona Glen liegt.

                                                          Abstieg ins Cona Glen

Beim Abstieg entdecke ich im hohen, gelben Gras eine Kreuzotter, die sich zunächst unbeweglich gibt. Als ich sie ausgiebig fotografiere, richtet sie ihren Kopf auf, scheint schließlich ihren Leib regelrecht aufzupumpen und gibt ein gefährliches Zischen von sich. Zwar ist die Kreuzotter giftig, aber sie wirkt denn doch nicht so aggressiv, dass mich das vom Fotografieren abhalten könnte…




                                               Kreuzotter

Im Cona Glen angekommen, stoße ich auf den Cape Wrath Trail, der hier einem Fahrweg folgt. Bald erreiche ich die Corrlarach Bothy.

                                          Corrlarach Bothy im Cona Glen

Die Bothys sind ehemalige Farmhäuser, die von einem Verein, der Mountain Bothy Association restauriert wurden, und als unentgeltliche Unterkünfte für Wanderer dienen. Zwar ist die Bothy schön gelegen, das Innere wirkt aber eher kalt und ungemütlich. Immerhin wachsen hier in der geschützten Tallage schon wieder Bäume wie Birken, Kiefern und sogar einige Eichen.
Als ich einem stechenden Aasgeruch folge, entdecke ich einen toten Hirsch. In den nächsten Tagen sollte ich noch zahlreiche weitere finden, bzw. riechen…
Offenbar war der Winter tatsächlich ziemlich hart, allerdings scheint es hier auch einfach viel zu viel Rotwild zu geben…

                                                     Toter Hirsch

Leider konnte sich die Sonne nicht durchsetzen, daher liegt eine eher düstere Stimmung über Cona Glen. Die letzten Kiefern vor der Baumgrenze als ich weiter im Tal hochsteige, sind knorrige, alte Veteranen.

                                    Knorrige Kiefern in Cona Glen

Schließlich verlasse ich das Tal über einen Pfad, der zu einem Pass führt und schlage irgendwann mein Zelt auf. Jetzt ziehe ich die nassen Socken aus, und lege meine wasserdichten Seal Skinz Socken an, in denen ich auch in den nassen Schuhen trockene Füße behalte.
Neben 250 Gramm Nudeln und einer Carbonarasauce verfeinern noch 50 Gramm Butter mein Abendessen. Den ganzen Tag lang ist mir kein anderer Mensch begegnet. Erstaunlicherweise sah ich trotz der kühlen Temperatur neben der Schlange noch eine Eidechse.
Während ich normalerweise zum Frühstück immer Müsli mit Milchpulver esse, besteht mein Morgenproviant auf dieser Reise aus zwei Ritter Sport Nussschokoladen. Die eine esse ich noch im Zelt vor Aufbruch, die Andere im Laufe des Morgens. Die Nächte im schottischen Frühling sind kurz, so bin ich um halb sechs Uhr morgens schon wieder unterwegs. Ein langer Abstieg führt mich in das Tal des River Gallop.

                                            Abstieg ins Tal des River Gallop

Die Gegend unten am Fluss scheint recht häufig besucht zu werden, es gibt einen Parkplatz, Aussichtspunkte und Infotafeln.
Unter einem strahlend blauen Himmel erscheint die Landschaft am Loch Shiel um Glenfinnan wunderschön

                                                         Glenfinnan

An diesem Sonntag Morgen nutzten etliche Ausflügler das schöne Wetter. Ein Mountainbiker hat sogar einen Eispickel auf seinen Rucksack geschnallt…
An der Corryhully Bothy verlasse ich den Cape Wrath Trail wieder und laufe talaufwärts zu einem Pass der ins Gleann Donn führt. Es ist jetzt angenehm warm, so dass ich lediglich mein T-Shirt trage.
Im Gleaann Donn wundere ich mich zunächst, dass auf dieser weglosen Strecke, Läufer die Hänge herunter schießen, erfahre dann aber, dass hier ein 2- tägiges Bergrennen im Gange ist, mit 500 Teilnehmern. Glücklicherweise nehmen nicht alle die Route durch das Tal...

                                      Abstieg zum Loch Beoraid

Zwei junge Rothirsche kommen in unmittelbarer Nähe an mir vorbei.

                       Junger Rothirsch im Gleann Donn

Schließlich erreiche ich Kinlochbeoraid, ein verlassenes Gehöft. Wie wohl das Leben früher hier war?

                                          Kinlochbeoraid

Ein steiler Grashang, den ich bald darauf erklimmen muss um auf eine Hochebene zu gelangen, entpuppt sich als das bislang härteste Wegstück, schließlich ist mein Rucksack noch nicht viel leichter geworden, obwohl ich mit dem Tragesystem des MacPac gut zufrieden bin.
Bei herrlichstem Wetter streife ich weiter weglos durch die Berge. Es ist so warm, dass ich mich bei einer Pause sogar etwas sonnen kann!

                                       Weglos durch die Berge

Schließlich schlage ich mein Lager am Lochann Bhrodainn auf, und nütze das gute Wetter für ein Bad im See.

                                              Lager am See

Nach dem Abendessen erkunde ich die Umgebung, zum Einen um mir den weiteren Weg für Morgen anzuschauen, hauptsächlich aber auch, weil ich es liebe, unbeschwert vom großen Rucksack mit Fernglas und Kamera noch ein wenig umherzuspazieren.
Die Gegend wird von schroffen Granitbergen und Felsen geprägt, die sich im schönen Abendlicht darbieten.

                                   Schroffe Granitberge im Abendlicht

Die Abstiegsroute zum Loch Morar ist ziemlich steil, aber machbar, wie ich feststelle.

                                    Abstiegsroute zum Loch Morar

Erstmals schmiere ich mir meine Füße mit Vaseline ein. Die fetthaltige Creme soll das Aufweichen der Füße verhindern, welches rasch zur Bildung von Blasen führen kann.












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